Zeitenwende für die Industrie - neue Anforderungen in neuer Realität

Die europäische Verteidigungsindustrie befindet sich im Wandel. Nach Jahren zurückhaltender Investitionen erlebt die Branche seit 2022 einen deutlichen Aufschwung. Bis 2030 soll der Markt von rund 134 Mrd. USD auf 184 Mrd. USD wachsen, ein jährliches Plus von 5,5 % (CAGR, Mordor Intelligence, 2025).

Treiber dieser Entwicklung sind die Modernisierung der Streitkräfte, geopolitische Risiken und das klare Ziel Europas, verteidigungspolitisch unabhängiger zu werden. Ein zentrales Beispiel: Die EU will über das ASAP-Programm die jährliche Munitionsproduktion bis Ende 2025 auf 2 Millionen Schuss steigern. Dafür werden über 30 Industrieprojekte mit rund 500 Mio. Euro gefördert – das entspricht einem Investitionsvolumen von über 1,4 Mrd. Euro (EU-Kommission, 2024).

Gleichzeitig steigen die Verteidigungsetats deutlich. 2024 wuchs das europäische Verteidigungsbudget um 17 % auf 693 Mrd. USD. Deutschland investierte dabei mit 88,5 Mrd. USD am meisten, Polen verzeichnete mit 31 % das stärkste Wachstum (SIPRI, 2025).

Für die Industrie bedeutet das: Produktionskapazitäten aufbauen, Standorte ausbauen, Prozesse digitalisieren und Lieferketten absichern. Fabrikplanung wird damit zu einem strategischen Instrument europäischer Sicherheitsarchitektur.

Rüstungsproduktion neu gedacht

Moderne Gefechtsfahrzeuge, Lenkflugkörper, Luftverteidigungssysteme und Artilleriemunition sind hochkomplexe Produkte. Ihre Herstellung erfordert technologische Präzision, abgestimmte Prozesse und eine robuste Logistik. Gleichzeitig rücken neue Fertigungstechnologien stärker in den Fokus.

Die additive Fertigung (3D-Druck) gewinnt im Verteidigungsbereich zunehmend an Bedeutung, insbesondere für die dezentrale Ersatzteilproduktion und schnelle Instandsetzung im Einsatz. Auch die Bundeswehr setzt mobile 3D-Drucklösungen bereits gezielt ein. Europäische Projekte treiben darüber hinaus den Aufbau gemeinsamer Standards voran.

Parallel entstehen neue industrieübergreifende Partnerschaften. So steigt Heidelberger Druck im Schulterschluss mit Vincorion in die Verteidigungsindustrie ein. Ziel ist es, industrielle Fertigungskompetenz mit verteidigungsspezifischen Anforderungen zu verbinden und resiliente Lieferketten in Europa zu stärken. Diese Entwicklungen zeigen, dass technologische Innovation und branchenübergreifende Kooperation die Produktionslandschaft der Verteidigungsindustrie zunehmend prägen.

Komplexität als Planungsparameter

Wie bereits im zivilen MRO-Umfeld sind auch in der Verteidigung Unwägbarkeiten Teil des Tagesgeschäfts. Bedarfe ändern sich kurzfristig. Zuliefererstrukturen unterliegen politischen Rahmenbedingungen. Neue Technologien wie additive Fertigung oder digitale Zwillinge erfordern eine integrierte Betrachtung von Entwicklung, Fertigung und Instandhaltung.

Klassische Planungslogiken reichen nicht aus. Eine dynamische Fabrikplanung, die mit Szenarien arbeitet, alternative Auslegungen berücksichtigt und Schnittstellen zu Entwicklung, Logistik und Betrieb integriert, ist heute Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.

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